Fächerübergreifende Grundlagen der Prävention von sexueller Gewalt
Grundlage allen pädagogischen Handelns zur Vermeidung von sexueller und auch aller weiteren Formen der Gewalt ist eine in allen Klassen aller Jahrgänge herrschende Kultur des Miteinanders, die die Schule zu einem verlässlichen, schützenden und stärkenden Ort macht. Schule als „sicherer Ort“ für alle am Schulleben beteiligten Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Diese stärkende Kultur des Miteinanders kann durch folgende Grundsätze erzielt werden:
- Schüler stark machen durch Erlernen und Erleben demokratischer und mitbestimmender Strukturen im Schulalltag (Partiziption) z.B. durch
– Mitgestaltung durch Schüler
– Mitmachaktionen
– Mitreden
Mitbestimmung unterstützt die Schüler*innen auf ihrem Weg zur Selbstbestimmung. Selbstbestimmung wird hier nicht isoliert, individuell, egoistisch verstanden, sondern sie entsteht im sozialen, gesellschaftlichen Zusammenhang. Selbstbestimmung verdankt sich immer der sozialen Eingebundenheit und Anerkennung.
- Klares und für jeden transparentes gemeinsam erstelltes Regelwerk mit Einbezug der Eltern von Anfang an sowie gemeinsam erstellte Konsequenzen beim Verletzen des Regelwerks, wobei der Schwerpunkt auf dem Positiven liegen soll, dem Einhalten des Regelwerks und dem positiven Verhalten der
– Schulregeln / Schulordnung
– Klassenregeln, Klassenrituale
Besonders die neu entwickelten Erziehungsvereinbarungen und das überarbeitet Konzept zum sozialen Lernen tragen dieser Haltung und der Problematik Rechnung, indem in allen schulischen Bereichen eine demokratische und wertschätzende pädagogische Grundeinstellung verankert ist.
- Wertschätzungs-Kultur“ als demokratischer Grundstein
Das Thema „Gefühle“ als ein sehr wichtiges Thema zur Wertschätzung des/der einzelnen Schülers/Schülerin steht von Beginn an im Mittelpunkt. Jedes Kind soll sich wertgeschätzt und ernstgenommen und willkommen fühlen. So wie es ist, ist es gut. Das Miteinander soll immer gefördert werden im Besonderen um Diskriminierung und Ausgrenzung zu verhindern und den Zusammenhalt zu stärken, den gegenseitigen Respekt und den demokratischen Umgang miteinander. Die Schüler*innen sollen sich untereinander kennenlernen, respektieren und wertschätzen und die jeweils gleiche oder andere Kultur, Sprache, Hautfarbe, Religion, geschlechtliche Orientierung oder die jeweils anderen Spiele, Länder, Gewohnheiten, Rituale, etc. . Die Vielfalt bereichert die Gruppe und das sollen die Schüler*innen erfahren und auch dadurch Vorurteile, Ausgrenzungen, Mobbing, Gewalt jeglicher Art …verhindern lernen. Je besser die Schüler*innen sich gegenseitig kennen und einschätzen können, desto harmonischer läuft das Zusammenleben ab.
Die Schüler*innen selbst sollen als Mensch, als Kind, als Schüler*in ernstgenommen werden und ihre/seine Gefühle und Meinungen preisgeben dürfen. Der/die Schüler*in erfährt demokratische Verhaltensstrukturen für ein friedliches Zusammenleben mit allem, was dazu gehört, wie z.B. andere Meinungen friedlich vertreten, diskutieren und ganz basal friedlich und ohne Gewalt miteinander reden. Diese Gesprächskultur müssen die Schüler*innen erstmal erlernen in den verschiedensten Situationen.
- „Gesprächs-Kultur“, „Kommunikations-Struktur“, „Streit-Kultur
Eine sprachlich angemessene und wertschätzende Gesprächskultur schafft Raum für Schüler*innen, sich zu öffnen bzw. anzuvertrauen. Nur in einer angst- und gewaltfreien Kommunikation, in der sich beide Seiten respektvoll und aufmerksam einander zuwenden, können belastende Situationen angesprochen werden.
Partizipation
Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der Prävention sexueller Gewalt ist ein umfassendes Wissen aller an diesem Prozess beteiligten Lehrkräfte sowie die enge Kooperation mit externen Angeboten von Beratungsstellen, die regelmäßig an der Sertürnerschule genutzt werden. Hierzu kann der Anhang (Punkt 8 Externe Hilfsangebote) genutzt werden, da die genannten Beratungsstellen vielfältige Angebote bereithalten, die auch im schulischen Kontext genutzt werden können.
Diese Angebote werden bereits von den Kolleginnen und Kollegen regelmäßig in die unterrichtliche Arbeit eingebaut.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Partizipation in Hinblick auf eine aktive SchülerInnen- und Elternbeteiligung. Die Schülervertretung (SV) und die Elternpflegschaft werden regelmäßig in eine Evaluation dieses Konzeptes einbezogen. Besonders in die ständig zu erneuernde Bewertung von Risikofaktoren im schulischen Alltag und schulischen „darkplaces“ (also als unsicher empfundene Orte) sollten Schülerschaft und Elternpflegschaft aktiv mit einbezogen werden.
Prävention konkret
Beschwerdemanagement
An der Schule besteht in allen Kontexten eine Kultur der „Beschwerdemöglichkeit!“. Das heißt, die SuS erfahren, dass ihre Nöte und Ängste in jedem Fall ernst genommen werden. Sie kennen die Wege und Personen, an die sie sich wenden können. So gestalten KlassenlehrerInnen, Schulsozialarbeit, Vertrauenslehrer, Schulleitung und viele weitere handelnde Personen eine Kultur des „offenen Ohres“. Auch Eltern und Erziehungsberechtigten werden diese Wege vermittelt und geöffnet. Die Schule bemüht sich nachhaltig ein so gestaltetes Beschwerdemanagement ständig zu evaluieren und weiterzuentwickeln.
- Unsere Prävention bietet beiden Seiten Schutz: Schülerinnen und Schülern vor (sexueller) Gewalt und den Lehrkräften vor unbegründetem Verdacht
- Unsere Prävention verfolgt zwei Ziele:
- Schutz der Kinder durch eine präventive Erziehungshaltung im (Schul-)Alltag:
- Respektvoller, grenzwahrender und selbstwertstärkender Umgang
- Fehlerfreundlichkeit im (Schul-)Alltag
- Transparente Ansprechstellen bieten und somit Vertrauen schaffen (Vertrauenslehrerinnen und Vertrauenslehrer, Sozialarbeiterin und Schulsozialarbeiter, Streitschlichtung, Klassenrat…)
- Unterrichtseinheiten und Projekte zu den Themen „Kinderrechte“, „Trau dich“, „Sicherheit im Internet“, „Mein Körper gehört mir“
- Projekttage „Stark im Miteinander“
- Schutz durch Wissen und Aufklärung:
- Wissen und positives Sprechen über sexuelle Themen wirken protektiv
- à Kinder lernen Verhalten richtig einzuschätzen und bekommen Hilfe- sowie Beratungsmöglichkeiten mit an die Hand
- Schutz der Kinder durch eine präventive Erziehungshaltung im (Schul-)Alltag:
Intervention
Die Schule bezieht sich in ihrem Interventionsauftrag explizit auf die geltenden UN-Kinderrechte (Schutz, Förderung, Beteiligung und Beschwerde), das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) und den Schutzauftrag der Schule nach § 42 Abs. 6. Schulgesetz NRW.
Es ist zu beachten, dass eine mögliche Täter-Opfer-Konstellation sowohl im schulischen Kontext als auch im familiären Setting zu beobachten sein könnte. In beiden Fällen wird die Schule umgehend intervenieren.
Es ist aber zu beachten, dass im ersten Fall die Schule unmittelbar verantwortlich ist, im zweiten Fall (also im familiären Kontext) jedoch das zuständige Jugendamt. Die Schnittstelle zwischen Jugendamt und Schule kann jederzeit über die schulbezogene Schulsozialarbeit hergestellt und auf unkomplizierter Weise genutzt werden.
In Bezug auf die Handlungssicherheit aller Mitarbeitenden und der Schulleitung ist es wichtig, zwischen Grenzverletzungen und Übergriffen zu unterscheiden und entsprechend differenziert zu handeln.
Zur Erläuterung:
Grenzverletzungen (unbeabsichtigt, im Überschwang, in Unkenntnis, bei fehlendem Einfühlungsvermögen, minderschwer, i. d. R. einmaliges Verhalten, Ursache von Missverständnissen) müssen benannt, gestoppt und Verantwortung übernommen werden. Bei Übergriffen (Handlungen, bei denen Verletzungen (z. B. des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung) billigend oder gar mutwillig oder vorsätzlich in Kauf genommen werden), die bei sexualisierter Gewalt und Misshandlung zudem strafbar sind, greift der Handlungsleitfaden, der in diesem Konzept beschrieben ist. Nur so kann die Schule dem Schutzauftrag gerecht werden. Zudem ist bei der Beschreibung notwendiger Handlungsschritte zu berücksichtigen, ob die vermeintlichen Verursacher im familiären Milieu verortet sind, ob MitschülerInnen oder Mitarbeitende der Schulen beschuldigt werden. Das erfordert jeweils unterschiedliche Konsequenzen und zu informierende Institutionen. (
- Ein Übergriff wird vermutet:
- Ruhe bewahren
- Dokumentationsbogen nutzen
- Rücksprache mit weiteren Ansprechpersonen
- Fachberatungsstelle kontaktieren
- Betroffene Person nicht gezielt befragen
- Kontrollmöglichkeiten schaffen
- Ein Übergriff wird an eine Vertrauensperson herangetragen:
- Zuhören, ernst nehmen, Ruhe bewahren
- Dokumentationsbogen nutzen
- Fachberatungsstelle kontaktieren
- Schutz der/des Betroffenen sicherstellen; mit dieser Person absprechen
- Ein Übergriff wird beobachtet:
- Direkt eingreifen und den Übergriff ruhig und bestimmt beenden
- Ggf. Beweismittel sicherstellen
- Erst dem betroffenen Kind/Jugendlichen zuwenden, dann erst der übergriffigen Person
- Dokumentationsbogen nutzen
- Fachberatungsstelle kontaktieren (siehe Anhang)
- Krisenteam bilden: Schutz sicherstellen und weiteres Vorgehen klären
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